Die kunsthistorische und kunsttechnologische Erforschung der Gemälde des Spätmittelalters am Germanischen Nationalmuseum
Das Germanische Nationalmuseum bewahrt etwa 250 Gemälde des 13. bis 15. Jahrhunderts aus dem gesamten deutschen Sprachraum. Schwerpunkte bilden die Gemälde aus Nürnberg und Franken, gefolgt von Werken aus Köln, Nordwestdeutschland und den Gebieten um Mittel- und Oberrhein sowie Bayern, Österreich, Südtirol und Schwaben. Aufgrund des Umfangs und der hohen künstlerischen Qualität zählt die Sammlung zu den weltweit bedeutendsten ihrer Art.
Im Rahmen aufeinanderfolgender Forschungsprojekte wird dieser Bestand seit 2013 sukzessive von einem interdisziplinär arbeitenden Team von Kunsttechnolog*innen und Kunsthistoriker*innen untersucht. In der ersten Phase lag der Schwerpunkt auf der Untersuchung der fränkischen Tafelgemälde, die zweite Phase widmete sich der Malerei aus Köln, den Niederlanden, Nordwestdeutschland und den Gebieten an Mittel- und Oberrhein. Gegenstand der dritten Phase bilden die Bestände der bayerischen, österreichischen und südtiroler Tafelmalerei.
Auf Basis der Untersuchungsergebnisse können Aussagen zu verwendeten Materialien, Herstellungsprozessen und späteren Veränderungen der Gemälde gemacht werden. Die gewonnenen Erkenntnisse liefern ferner einen Beitrag zur Erforschung der historischen Entwicklung und Verbreitung technologischer Merkmale und bilden zugleich das Fundament für weitere, interdisziplinär ausgerichtete Fragestellungen der Kunstgeschichte, wie zum Beispiel Datierung, stilistische Zuschreibung, Auftraggeber und ehemalige Funktionszusammenhänge der Werke. Ursprüngliche Aufstellungsorte einzelner Gemälde können über eine Kartenansicht recherchiert werden.
Die Forschungsergebnisse sind in gedruckten Bestandskatalogen umfassend publiziert. Das gesamte im Zuge der kunsttechnologischen Untersuchungen angefertigte Bildmaterial und ausgewählte Analyseergebnisse sind digital über diese Datenbank abrufbar.
- Projektphasen
Projekt I
Titel Die deutsche Tafelmalerei des Spätmittelalters. Kunsthistorische und kunsttechnologische Erforschung der Gemälde im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg
ProjekttrailerLaufzeit 2013–2017 Förderung Leibniz-Gemeinschaft
Fördererkreis des Germanischen Nationalmuseums e.V.Forschungsteam Projekt I
- Dr. Daniel Hess (Kunsthistoriker, Leiter der Sammlung Malerei bis 1800)
- Oliver Mack M.A. (Kunsttechnologe, Leiter des Instituts für Kunsttechnik und Konservierung am GNM)
- Dr. Dagmar Hirschfelder (Kunsthistorikerin, Projektleiterin)
- Dr. Katja von Baum (Kunsttechnologin)
- Dipl. Rest. Lisa Eckstein (Kunsttechnologin)
- Dr. Beate Fücker (Kunsttechnologin)
- Judith Hentschel M.A. (Kunsthistorikerin)
- PD Dr. Esther Meier (Kunsthistorikerin)
- Dr. Joshua Waterman (Kunsthistoriker)
- Jacqueline Klusik M.A., Susanne Wagner M.A. (Kunsthistorikerin; wiss. Hilfskräfte)
- Isabell Hauenstein, Wiltrud Gerstner, Hannah Butz, Eva Winter, Lena Schäffler (stud. Hilfskräfte)
Projekt II
Titel Spätmittelalterliche Tafelmalerei im Spiegel von Geschichte, Material und Technik. Interdisziplinäre Objektforschung am Germanischen Nationalmuseum Laufzeit 2017–2019 Förderung Deutsche Forschungsgemeinschaft und Fördererkreis e.V. des Germanischen Nationalmuseums
Forschungsteam Projekt II- Dr. Daniel Hess (Kunsthistoriker, Leiter der Sammlung Malerei bis 1800, Projektleiter)
- Oliver Mack M.A. (Kunsttechnologe, Leiter des IKK)
- Dr. Katja von Baum (Kunsttechnologin, Projektkoordinatorin)
- Dipl. Rest. Lisa Eckstein (Kunsttechnologin)
- Dr. Beate Fücker (Kunsttechnologin)
- Sarah Grimberg M.A. (Kunsttechnologin)
- Judith Hentschel M.A. (Kunsthistorikerin)
- PD Dr. Esther Meier (Kunsthistorikerin)
- Dr. Joshua Waterman (Kunsthistoriker)
- Susanne Wagner M.A. (Kunsthistorikerin; wiss. Hilfskraft)
Projekt III
Titel Materialität im Kontext. Die bayerische und österreichische Tafelmalerei des Spätmittelalters Laufzeit 2019–2025 Förderung Bundesministerium für Bildung und Forschung
Private StiftungForschungsteam Projekt III
- Dr. Benno Baumbauer (Kunsthistoriker, Leiter der Sammlung Malerei bis 1800)
- Dr. Beate Fücker (Kunsttechnologin)
- Judith Hentschel M.A. (Kunsthistorikerin)
- Josefine Kramer M.A. (Kunsttechnologin; wiss. Hilfskraft)
- Kunsttechnologische Untersuchungen
Unverzichtbar für die Beurteilung des Zustands und der Entstehungsgeschichte der Gemälde ist ihre kunsttechnologische Untersuchung. Im Germanischen Nationalmuseum erfolgt die umfassende technologische Untersuchung und Dokumentation der Gemälde im Institut für Kunsttechnik und Konservierung (IKK).
In Vorbereitung auf die Untersuchungen werden von jedem Gemälde Gesamtaufnahmen der Vorder- und Rückseiten erstellt. Die Untersuchung des materiellen Bestands umfasst die Anfertigung und Analyse von Gesamtaufnahmen mittels Röntgen- Infrarot- und UV-Strahlung, die Flächenuntersuchung mit dem Stereomikroskop im Auf- und Streiflicht sowie die Anfertigung von Detail- und Mikroskopaufnahmen.
Da die Röntgenstrahlung das gesamte Gefüge des Gemäldes durchdringt, ermöglicht die Röntgenaufnahme Aussagen zur Konstruktion der Tafel. Mittels Infrarotreflektografie kann in vielen Fällen die unter den Farbschichten liegende Unterzeichnung der Bilder sichtbar gemacht werden, die reflektierte UV-Strahlung verdeutlicht gealterte Firnisse und Retuschen. Unter der Vergrößerung des Stereomikroskops werden Farbaufbau und Phänomene der Alterung nachvollziehbar. In der Kombination aus Mikroskopie und Röntgenfluoreszenzanalyse lassen sich die Blattmetalle Gold, Silber und Zwischgold bestimmen, die zur Verzierung der Gemälde eingesetzt wurden.
Bei gezielten Fragestellungen werden den Gemälden mikroskopisch kleine Proben entnommen. So können die Hölzer der Bildtafeln sowie Fasermaterial bestimmt werden, das zum Kaschieren einiger Tafeln diente. In Einzelfällen erfolgt die Bestimmung von Alter und Herkunft der Hölzer mittels Dendrochronologie und Dendroprovenancing.
Zahlreiche kunsttechnologische Kartierungen visualisieren die Untersuchungsergebnisse, wie zum Beispiel die Tafelfügung und kaschierte Bildbereiche. Ferner stehen in der Datenbank Umzeichnungen der zur Verzierung der Gemälde genutzten Muster in Form eines Musterkatalogs zur Verfügung.
- Aufnahme- und Messbedingungen der verwendeten bildgebenden und analytischen Untersuchungsmethoden
Bildgebende Verfahren
Fotografie (technologische Aufnahmen)
Gerätetyp: Canon EOS 60D
Objektive: Canon Macro Lens EF, 100 mm; Canon Zoom Lens EF, 24–105 mm; Canon Macro Lens MP-E, 65 mm
Lichtquelle: Fotoleuchten Xenolux 1000 (Multiblitz), Leuchtmittel Halogen 650 W (Osram), mit Multiflex-Softbox, Lufex 65 (Multiblitz)UV-Fluoreszenzfotografie
Gerätetyp: Canon EOS 60D
Objektive: Canon Zoom Lens EF, 24–195 mm, mit UV-Sperrfilter 77 420 Ultraviolett Cut (B+W)
Lichtquelle: Standleuchten mit je zwei UV-Leuchtstoffröhren (Osram); ausgerüstet mit Borosilikatglasfiltern MUG2, 360nm (Schott)Radiografie
Gerätetyp: Isovolt 225 mit Schaltgerät DS 1 (Seifert) und Röhre MXR-225/22 (Comet), max. 225 kV. Je nach Größe und Beschaffenheit des Gemäldes Anregungsspannung 14–24 mA, 29–57 kV, Aufnahmezeit 45–104 sec; Abstand zum Gemälde 80–450 cm.
Filme: Agfa Strukturix D4 DW Rollpac, Breite 35 cm; Agfa Strukturix D4 DW, 30 x 40 cm
Gesamtaufnahmen mit gleichzeitiger Belichtung aller Filme und anschließend digitale Montage der gescannten EinzelfilmeInfrarotreflektografie
Gerätetyp: mobile OSIRIS-A1 Kamera (Opus Instruments/ Atik Cameras) mit Indium-Gallium-Arsenid Array-Sensor (Wellenlängenbereich 0,9–1,7 μm); max. Bildgröße 4096 x 4096 Pixel
Lichtquelle: Fotoleuchten Xenolux 1000 (Multiblitz), Leuchtmittel Halogen 650 W (Osram), mit Multiflex-Softbox, Lufex 65 (Multiblitz)Mikroskopische Verfahren
Stereomikroskopie
Gerätetyp: Olympus SZX 7 Stereomikroskop mit Standfuß, Okulare (Olympus) 10x, Objektiv/Vorsatzoptik (Olympus) 0,5x und 1,5x; Zoomfaktor 7 mit Stufen 0,8–5,6x; Gesamtvergrößerung: 4–84x
Lichtquelle: TSO-KLQ-o (Thalheim Spezial Optik) mit LichtleiternGerätetyp: Zeiss Stemi 2000-C Stereomikroskop mit Standfuß, Okulare (Zeiss) 10x, Objektiv/Vorsatzoptik (Zeiss) 0,63x; Zoomfaktor 7,7 mit Stufen 0,65–5,0x; Gesamtvergrößerung 4,1–31,5x
Lichtquelle: KL 2500 LCD (Schott) mit LichtleiternLicht-, Polarisations- und Fluoreszenzmikroskopie
Gerätetyp: Olympus BX51, Okulare (Olympus) 10x, Objektive UMPlanFl (Olympus) 5x, 10x, 20x, 40x; Gesamtvergrößerung 50–400x
Auflicht (Hellfeld/Dunkelfeld), Durchlicht, Polarisation: Leuchtmittel Halogenlampe 12 V 100 WHAL-L (Philips 7724); Polarisationsfilterset (Olympus)
Fluoreszenz: Leuchtmittel Quecksilberlampe USH-102D 100W (Ushio); Filtercube U-MWUS3 (Olympus) mit Anregungsfilter 330–385 nm, Emmissionsfilter 420 nmMaterialanalytische Verfahren
Röntgenfluoreszenzanalyse
Gerätetyp: Mobiles RFA-Spektrometer Niton XL3t Hybrid+ (Analyticon); Messmodus: Mineral, Messung mit Main-, Low-, High- und Lightfilter, jeweils 30 Sekunden